Mütter in der Falle?
- Stiftung Familienwerte
- vor 5 Tagen
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Frauen steckten unfreiwillig in der „Teilzeitfalle“, mutmaßte Bärbel Bas vor einigen Tagen. Was Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft entgegnen müssten.
Der Artikel ist dem Magazin "Die Tagespost" vom 30.05.2025 entnommen.
Autor: Stefan Fuchs

Angesichts des Fleißappells des neuen Bundeskanzlers („wieder mehr und vor allem effizienter“ arbeiten), fühlten sich manche an Helmut Kohls Warnung vor Deutschland als „kollektivem Freizeitpark“ erinnert. In der politischen Rhetorik hat sich wenig verändert, in der Gesellschaft umso mehr. Zu Kohls Zeiten galt es als Norm, dass ein Einkommen für die Familie reichen sollte. Noch im Jahr des Regierungswechsels zu Rot-Grün (1998) zeigte der „Wohlfahrtssurvey“ eine „breite Akzeptanz der Hausfrauenrolle in Westdeutschland“. Tempi passati: Wer heute als Beruf „Hausfrau“ angibt, gilt als antiquiert, wird fast als Alien betrachtet.
Noch immer wird beklagt, dass Mütter in Deutschland zu wenig „arbeiten“ würden und die Rollenverteilung zu „traditionell“ sei. Nichts zeigt deutlicher den Wandel der Rollenbilder als eben dieses Lamento. Journalistinnen wie Dorothea Siems und Susanne Gaschke haben schon vor Jahren die politisch gewollte „Abschaffung der Hausfrau“ scharfblickend analysiert. In der „Tagespost“ kritisierte Jürgen Liminski seinerzeit diesen Paradigmenwechsel als Missachtung der Erziehungsleistung von Müttern und der Bindungsbedürfnisse von Kindern. Sein Einsatz für die klassische Familie eckte im Deutschlandfunk und anderen Leitmedien an. Der Mainstream war zutiefst überzeugt vom neuen Leitbild der (voll)erwerbstätigen Mutter.
Durch Kita-Ausbau sollte alles besser werden
Alles sollte damit besser werden: Die wirtschaftliche Lage von Müttern, Kindern und Familien, die Integration von Zuwanderern, das Bildungsniveau und nicht zuletzt die Geburtenrate. Institutionelle Kinderbetreuung sollte das Instrument sein, um alle diese Ziele zugleich zu erreichen. Die als „Investition“ vermarkteten öffentlichen Ausgaben für Tageseinrichtungen stiegen seitdem rasant: Laut dem Statistischen Bundesamt von elf Milliarden Euro im Jahr 2003 bis auf 46 Milliarden Euro im Jahr 2023 – Tendenz weiter steigend. Das Personal hat sich in dieser Zeit etwa verdoppelt– rund 800.000 Beschäftigte arbeiten mittlerweile in Kindertageseinrichtungen. Die Verstaatlichung der Kindererziehung hat maßgeblich dazu beigetragen, dass heute mehr Menschen als je zuvor in Deutschland im öffentlichen Dienst arbeiten. „Wenn es denn eine gesellschafts- und wirtschaftspolitische Herausforderung gibt, die in der Merkel-Ära entschlossen angegangen wurde, dann ist es der Kita-Ausbau“, resümiert die „Welt“. Und da sich das Geld immer nur einmal ausgeben lässt, fehlen die Mittel an anderer Stelle, zum Beispiel für die innere und äußere Sicherheit oder Brücken, Straßen und Schienen.
Seit einigen Monaten zeigen sich Grenzen des Kita-Wachstums, weniger aus monetären Gründen, sondern weil die Kinder fehlen. Wegen sich leerender Gruppen müssen in immer mehr Kommunen Kitas zusammengelegt oder geschlossen werden. Grund dafür ist der drastische Geburtenrückgang seit 2022, der die einstigen Hoffnungen auf mehr Kinder durch mehr „Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie für Frauen zunichtemacht.
Die weniger gewordenen Kinder wachsen von klein auf in Institutionen auf, immer häufiger in Ganztagsbetreuung. Innerhalb von nur zehn Jahren ist die Zahl der Kita-Kinder mit einer Betreuungszeit von mehr als 35 Wochenstunden um 30 Prozent gestiegen. Der für Kinder damit verbundene Stress wird tabuisiert, obwohl die Sorgen über das Wohlergehen von Kindern zunehmen. Es wird viel geklagt über psychische Erkrankungen von Kindern, vor allem Depressionen, motorische Defizite, Aggressivität und schwache Schulleistungen. Dafür gibt es natürlich nicht nur eine, sondern viele Ursachen. Dass die elektronischen Medien als „Kindheitskiller“ eine Ursache sind, steht außer Frage. Dass auch immer längere Betreuungszeiten zu den Problemen beitragen, wird verdrängt. Im Zweifel werden Erziehungsfehler der Eltern verantwortlich gemacht. Die öffentliche Betreuung wird, trotz der allen bekannten Defizite in den Einrichtungen, im Amtsdeutsch „Kinderförderung“ genannt. Mit dem Versprechen „hochwertiger Bildungsangebote“ (so das Bundesfamilienministerium) wird bemäntelt, dass in den Tagesstätten und oft auch in den Schulen vor allem betreut wird, nicht selten auch nur verwahrt.
Frauenerwerbstätigkeit deutlich gestiegen
Kinder sollen kein Hindernis für die Erwerbstätigkeit von Eltern sein. Tatsächlich ist die Frauenerwerbstätigkeit deutlich gestiegen: Die Erwerbsquote 15 bis 64-jähriger Frauen wuchs, nach Daten der europäischen Statistik, von 59,6 Prozent im Jahr 2005 auf 74 Prozent im Jahr 2024. Damit erreicht Deutschland ein ähnliches Niveau wie die nordischen „Musterländer der Gleichstellung“ (Schweden 75,2 Prozent, Norwegen 75 Prozent, Dänemark 74,5 Prozent). In Frankreich, das ebenfalls oft als Vorbild für die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere gilt, liegt die Frauenerwerbsquote mit 66,4 Prozent weit darunter. In der Schweiz (77 Prozent) und in den Niederlanden (78,9 Prozent) finden sich dagegen höhere Erwerbsquoten als in Deutschland. In diesen Ländern dominiert aber die Teilzeitarbeit, deren Anteil (Niederlande 63,7 Prozent, Schweiz 61,1 Prozent) noch deutlich höher ist als in Deutschland (48,4 Prozent). Auch in den nordischen Ländern ist Teilzeiterwerbstätigkeit weit verbreitet. International zeigen Statistiken eindeutig, dass Teilzeitarbeit kein Indikator für Rückständigkeit ist, sondern typisch für Länder mit hoher Frauenerwerbstätigkeit.
Grundlegend für Wohlstand sind Produktivitätszuwächse und das heißt: Mehr Güter werden mit weniger Arbeit produziert. Das Arbeitsvolumen tendiert in hochentwickelten Volkswirtschaften zur Stagnation. Teilzeitarbeit ermöglicht es, dass die Erwerbsquoten dennoch wachsen, indem die Arbeit auf mehr Köpfe verteilt wird. Auf diesen Zusammenhang hat Jürgen Liminski schon vor vielen Jahren in den Newslettern seines „Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie“ hingewiesen. Mikrozensusauswertungen zeigten damals, dass fehlende Betreuungsplätze als Grund für die Teilzeitarbeit von Frauen nachrangig waren. Die große Mehrheit der Frauen gab für die Teilzeitarbeit persönliche und familiäre Gründe an, wollte Zeit für die Familie haben. Anders bei Männern: Für sie ist Teilzeitarbeit eher eine Notlösung, der Wunsch nach Vollzeitarbeit dominant. Damit sich das ändert, forderte der Achte Familienbericht 2012 eine Kommunikationspolitik der „habit formation“, die „kollektiv gewachsene Verhaltensweisen“ ändert. Trotz des Ausbaus der Kinderbetreuung und des politisch-medialen Kampfes gegen „traditionelle Rollenbilder“ ist aber die Teilzeiterwerbstätigkeit von Frauen weiter gestiegen.
Entscheidung mündiger Bürger respektieren
Das stört die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas, die jede Arbeitsstunde mehr von Frauen für einen Fortschritt hält und natürlich vor der „Teilzeitfalle“ warnt. Einen anderen Horizont müssten Unionspolitiker haben, die sich der „sozialen Marktwirtschaft“ verpflichtet fühlen. Aus der Perspektive einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung müsste man die Entscheidungen mündiger Bürger(innen) respektieren, nicht nur im Blick auf die „Work-Life-Balance“, sondern auch auf die „innerfamiliäre Rollenverteilung“. Mit der Freiheitsidee ist finanzieller Zwang zu einer paritätischen Aufteilung der Elterngeldmonate nicht zu vereinbaren, ebenso wenig wie höhere Steuern durch ein „Kappen“ des Ehegattensplittings. Die Bevormundung von Eltern, um eine paritätische Arbeitsteilung zu erzwingen, kann zudem der Wirtschaft schaden. Die Alltagslogistik von Doppelverdiener-Familien ist kompliziert, besonders wenn Kinder erkranken. Viele nehmen dann Kinderkrankentage in Anspruch oder lassen sich krankschreiben. Auch das trägt zu den Krankenständen bei, über die in der Diskussion über die Arbeitsmoral geklagt wird.
Lange Wochenarbeitszeiten zu propagieren und auch von Müttern mit kleinen Kindern zu fordern zeugt von Geschichtsvergessenheit. Denn eine solche Mobilisierung aller Arbeitskräftereserven war typisch für ineffiziente Planwirtschaften, woran sich zumindest ältere Unionspolitiker noch erinnern sollten. Auch unter demokratisch-marktwirtschaftlichen Vorzeichen führt öffentliche Betreuung zu mehr Staat, wie die Merkel-Scholz-Ära zeigt. Nach Berechnungen der Stadt Dresden kostet ein Kitaplatz mindestens 1.500 Euro.
Den größten Teil dieser Kosten müssen die Steuerzahler tragen. Im Vergleich dazu waren die früheren Betreuungsgelder (etwa in Thüringen) eher ein Taschengeld, als „Herdprämie“ denunziert und abgeschafft. Statt die Familien als Subjekte zu fördern, fließen in Deutschland viele Milliarden in Betreuungseinrichtungen, das nennt man Objektförderung. Effizient ist das nicht. Wenn in Deutschland „effizienter“ gearbeitet werden soll, wären andere Prioritäten erforderlich. Dafür müsste man die Erziehungsfreiheit von Eltern fördern, damit die Familien das „Humanvermögen“ (Fünfter Familienbericht) hervorbringen, welches allein den Wohlstand sichert.
Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler und Verfasser des Buchs „Gesellschaft ohne Kinder“ (Springer VS, 2013).
Link zum Artikel in der Tagespost: Mütter in der Falle? | Die Tagespost

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