Kinderrechte im Grundgesetz sind nicht die Lösung: Der Staat versagt schon jetzt, wenn es darum geht, die geltenden Rechte von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern zu verteidigen.
Ein Artikel aus der Tagespost vom 20.11.2024
Autorin: Franziska Harter
„Kinderrechte sind Menschenrechte“ lautet der Slogan, der sich einreiht in die Rufe nach einer Ergänzung des Menschenrechtekatalogs um Rechte, die sich auf spezifische Personengruppen beziehen. Am heutigen „Internationalen Tag der Kinderrechte“ erschallt die Forderung, selbige ins Grundgesetz aufzunehmen, mit neuer Kraft.
Dem Anliegen, Kinder und Jugendliche als besonders schutzbedürftige Personen in der Wahrnehmung und Verteidigung ihrer Menschenrechte auch besonders zu unterstützen, ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn die Gefährdungen sind Legion: Die Fallzahlen von Kindeswohlgefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt steigen stetig an. Kinderpsychiatrien arbeiten seit der Covid-Pandemie am Limit, die Zahl der suizidgefährdeten Minderjährigen nimmt zu. Viel zu langsam gerät ins öffentliche Bewusstsein, welche Gefahren Smartphones, soziale Medien und Co. in Form von Grooming, Cybermobbing und Pornografie für Kinder und Jugendliche bereithalten.
Einmal abgesehen von der Tatsache, dass umstritten ist, welche „Rechte“ zu den „Kinderrechten“ zählen sollen (schließlich hat das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit nicht so ganz die gleiche Tragweite wie ein mancherorts gefordertes Wahlrecht ab 16): Bisher konnte niemand überzeugend argumentieren, warum genau eine Ergänzung des Grundgesetzes um Kinderrechte die Lösung für all die oben genannten Entwicklungen darstellen soll. Denn so unfassbar banal es auch klingen mag: Kinder sind Menschen und als solche steht ihnen die Gesamtheit der Menschenrechte, wie sie im Grundgesetz verankert sind, bereits vollumfänglich zu. Auch ohne spezielle Kinderrechte haben Kinder kraft des Grundgesetzes ein Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit und freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit, auf Bildung und Erziehung und auf den Schutz ihrer Familie.
Was ist mit den Kinderrechten, die weniger „en vogue“ sind?
Schon jetzt versagt der Staat viel zu oft, wenn es darum geht, diese Rechte zu schützen. Die Noch-Regierung hat wiederholt eindrucksvoll unter Beweis gestellt, wie sehr ihr die Rechte von Kindern – geborenen und ungeborenen – egal sind: Abtreibung, Leihmutterschaft, Selbstbestimmungsgesetz, die Liste ist lang. Den „besonderen Schutz“ von Ehe und Familie (§6 GG) gibt es seit langem nur noch auf dem Papier. Dem „natürlichen Recht“ der Eltern auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder meint man einzig mit dem Ausbau von Krippen und Kitas gerecht zu werden. Investitionen ins marode Schulsystem bleiben aus, die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in Schule und Sport schleppt sich voran, und bevor die Politik einsieht, dass endlich drastisch gegen den Zugang von Kindern und Jugendlichen zu Pornografie vorgegangen werden muss, glaubt sie lieber wieder an den Weihnachtsmann.
Der Tag der internationalen Kinderrechte ist eine gute Gelegenheit, an die Kinderrechte zu erinnern, die weniger „en vogue“ sind, angefangen bei dem Recht jedes Menschen – auch des ungeborenen – auf Leben. Vielleicht liegt genau hier, nämlich in der Definition des Menschseins, die Verwirrung, die der Forderung nach der Ergänzung des Grundgesetzes um Kinderrechte zugrunde liegt. Laut der „SKIP-Argumente“ (Spezieszugehörigkeit, Kontinuität, Identität, Potenzialität) ist der Embryo ab Verschmelzung von Samen und Eizelle ein Mensch: Er gehört eindeutig zur Spezies Mensch, entwickelt sich in kontinuierlicher Weise erst innerhalb, dann außerhalb des Uterus bis hin zum erwachsenen Menschen, ohne dass irgendetwas anderes als ein Mensch daraus entstehen könnte. Daher gelten die Menschenrechte für den Erwachsenen genauso wie für das Kind, unabhängig von seinem konkreten Entwicklungsstand.
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