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Forschungsergebnisse zur Fremdbetreuung von Kindern

Stiftung Familienwerte

Veröffentlicht am 27.06.2020 beim Verband Familienarbeit e. V. Autorin: Jenniffer Ehry-Gissel





In diesem Artikel sind Studienergebnisse zu den Auswirkungen von Fremdbetreuung bei Kindern von 0 bis 6 Jahren zusammengestellt. Das kann hier nur eine grobe Aufzählung sein. Es ist wichtig zu beachten, dass es sich um statistische Ergebnisse handelt, nicht um Aussagen oder gar Vorhersagen zu Einzelfällen. Zum Wert von Kindern und Familien


Zur Gesundheit

Kinder in Fremdbetreuung haben mehr Infekte (von Husten bis Gehirnhautentzündung, vor allem in Gruppen, mehr Erkrankungen des Immunsystems (Allergien, Asthma, Ekzeme) und ein vielfach höheres Risiko ein Aufmerksamkeitsdefizit zu entwickeln (ADS, ADHS). Der Lärmpegel in Krippen hat hirn- und gesundheitsschädigende Ausmaße.


Zur kognitiven Entwicklung und Sprache

Die Studie des NICHD stellt fest: In qualitativ hochwertigen Krippen und Kindergärten (bis viereinhalb Jahren) wurden keine Belege für eine Verminderung kognitiver Fähigkeiten gefunden, aber auch keine für eine Förderung, auch nicht für benachteiligte Kinder. Jedoch erfüllen die wenigsten Institutionen diese hohen Qualitätsanforderungen. Kinder in qualitativ hochwertiger Fremdbetreuung hatten etwas bessere Sprachfähigkeiten und kognitive Entwicklung als Kinder in Fremdbetreuung niedrigerer Qualität, besonders benachteiligte Kinder.

Jedoch fand eine Studie bei Kindern im Alter von 8 bis 14 Jahren aus eher wohlhabenden Familien eine Verminderung des IQ um je 0,5 % pro Monat Fremdbetreuung (im 1. bis 3. Lebensjahr, in qualitativ hochwertiger Fremdbetreuung).15 Andere Studien fanden eine Verminderung kognitiver Leistungen bei 3- bis 6-Jährigen aus bildungsnahen Haushalten, aber eine Verbesserung bei schwachen Kindern. Verbesserungen ließen sich aber in der Schule zunehmend kaum oder nicht mehr nachweisen. Langfristige Vorteile sind bis jetzt nicht belegt.

Eine angeblich von der NICHD-Studie nachgewiesene bessere Sprachfähigkeit ist in der angegebenen Quelle zu Ergebnissen bis 4,5 Jahren nicht erwähnt.24 Eine andere Studie stellt bei 2- und 4-Jährigen eine bessere Entwicklung der Kommunikationsfähigkeit fest.


Zu Verhaltensauffälligkeiten

In sehr vielen Studien wurden negative Effekte von Fremdbetreuung gefunden, auch unabhängig von der Art (in Gruppen, Tagesmütter, Verwandte, usw.) der Betreuung. Je früher, je länger am Tag und je mehr Jahre ein Kind in den ersten 6 Jahren fremdbetreut wurde, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es Verhaltensprobleme entwickelt, wie z.B. aggressives, gewalttätiges und antisoziales Verhalten, Zurückgezogenheit und Gefügigkeit. Einen Grenzwert gibt es nicht. Das ist unabhängig von der Qualität der Fremdbetreuung! Negative Effekte von Elternhaus und Fremdbetreuung addieren sich. Die Vorstellung, Defizite vom Elternhaus würden durch Krippen oder Kindergärten kompensiert, ist dadurch widerlegt.

Bei 15-jährigen, die früh fremdbetreut wurden, sind mehr Verhaltensprobleme (auch Diebstahl, Vandalismus, Süchte) gefunden worden. Statistiken aus verschiedenen Ländern zeigen eine dramatische Zunahme psychischer Probleme (Depression, Süchte, Gewalt, bis hin zu Selbsttötungen) bei dieser ersten Generation fremdbetreuter Kinder.


Zur Bindung

Kinder binden sich im Verlauf der ersten Lebensjahre an ihre Mutter bzw. Hauptbezugsperson. Die Bindungssicherheit kann durch Tests erfasst werden. Unsichere Bindungsmuster gehen mit schlechteren Prognosen einher. (Andere Aspekte von Bindung wurden nicht untersucht). Demnach entwickeln Kinder, die schon im ersten Lebensjahr fremdbetreut wurden, vermehrt unsichere Bindungsmuster, während bei über Einjährigen kaum Unterschiede in den Tests gefunden wurden. Letzteres wird in den Medien häufig erwähnt.

Risiken und Nebenwirkungen und deren Häufigkeit werden dagegen verschwiegen. Deshalb hier eine Aufzählung: Therapeuten beschreiben Bindungsstörungen bei Erwachsenen, die als Kleinkinder fremdbetreut wurden. Einzelne Wissenschaftler, die an Studien beteiligt waren, berichten von verschiedenen Bindungsstörungen bei den Kindern (z.B. eine hohe Aufgeschlossenheit gegenüber Fremden, die oft positiv bewertet wird). In den Studien selber werden Bindungsstörungen nicht einmal erwähnt. Bestimmte Verhaltensauffälligkeiten, die in Fremdbetreuung vermehrt auftreten, lassen auf Bindungsprobleme schließen. Sicher gebundene Kinder können häufige Trennungen von der Hauptbezugsperson eher verarbeiten, während Kinder mit unsicheren Bindungsmustern verstörter und gestresster reagieren. Es gibt Hinweise, dass die Bindung zur Mutter negativ beeinflusst werden kann, inwieweit ist unklar. Ebenso, ob sie vielleicht durch Erzieherinnen, die in Bindungstheorie geschult wurden, sogar gefördert wird oder werden könnte. Von kompensatorischen Effekten von Fremdbetreuung kann jedenfalls nicht die Rede sein. Es „hat sich die Kompensationsthese nicht bestätigt“.

Der Wechsel eines Kindes in eine andere Altersgruppe bedeutet immer eine Verlusterfahrung, die häufig von ihm dramatisch erlebt, von den Erwachsenen eher nicht erkannt wird. Es besteht das Risiko, besonders bei viel Fremdbetreuung und schon im ersten Lebensjahr, dass ein Kind die fremdbetreuende Person zur primären (oder sekundären) Bindungsperson erwählt.8 Ein Verlust ist dann besonders schwerwiegend und mit schlechteren Prognosen verbunden.


Zur neurobiologischen Forschung

Nagerbabys, die viel bemuttert werden (geleckt, gesäugt und gestupst), haben besser entwickelte Gehirne und größere Stresstoleranz als weniger bemutterte. Menschenmütter stehen in vielfältigem Kontakt zu ihren Kindern (ähnlich wie Verliebte), während Erzieherinnen messbar liebloser und weniger bis kaum auf ein einzelnes Kind eingehen. Daraus folgt, dass fremdbetreute Kinder schon durch viel geringere Bemutterung schlechtere Bedingungen für die Gehirnentwicklung vorfinden.

Trennungen vom Muttertier bewirken bei Versuchstieren starke Stressreaktionen. Vielfältige Messungen von Stresshormonen (Cortisol) bei fremdbetreuten Kindern zeigen eindeutig eine hohe Belastung an und ein verändertes Tagescortisolprofil, tatsächlich noch bei 80 bis 90 % der 3- und 4-Jährigen! Dauerstress wirkt toxisch auf das sich entwickelnde Gehirn. Er beeinträchtigt das Immunsystem, verschlechtert dauerhaft die Lernfähigkeit und bewirkt dauerhaft eine Sensibilisierung der Stressreaktion (keine Gewöhnung!).

Manche dieser Veränderungen des Gehirns sind bei psychischen Erkrankungen zu finden. Eine Studie bestätigt, dass früh fremdbetreute Kinder mit 15 Jahren tatsächlich ein verändertes Tagescortisolprofil haben – vergleichbar dem von vernachlässigten und misshandelten Kindern!


Zur Förderung

Wie sich aus dem Gesagten ergibt, kann man bei Fremdbetreuung in den ersten drei bis vier Lebensjahren kaum von Förderung reden. Vereinzelt behauptete positive Effekte stehen in keinem Verhältnis zu den Risiken und können auch anders sogar effektiver erzielt werden. Das trifft besonders auch für wie auch immer benachteiligte Kinder zu. Dagegen bringen Programme, die eine Verbesserung der Mutter-Kind-Bindung und -Interaktion zum Ziel haben, sehr deutliche, messbare Verbesserungen.

Der größte Killer von Bildungschancen ist die Familienarmut.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Hauptbezugsperson (fast immer die Mutter), bei allen erwähnten Kriterien den größten und entscheidenden Einfluss hat. Weswegen es am effektivsten ist, bei der Mutter-Kind-Beziehung anzusetzen.

Man mag sich nun angesichts dieser erschlagenden Beweislast zu Recht fragen, wie es sein kann, dass frühe Fremdbetreuung einen derart positiven Ruf hat. Erklärungen hierfür bringen die Analysen einiger Studien und Aufsätze im Original und etlicher Artikel (hier als Beispiel:6): Überwiegend werden positive Effekte einfach nur behauptet und von einander abgeschrieben, z.B. es handle sich bei früher Fremdbetreuung um „frühkindliche Bildung“. Aber unwahre Behauptungen werden auch durch ständige Wiederholung nicht wahrer. Viele Journalisten und manche Wissenschaftler berichten sehr einseitig, z.B. dass die kognitive Entwicklung oder die Bindung zur Mutter nicht beeinträchtigt würde. Negatives oder Kritisches wird kaum erwähnt oder gar positiv bewertet, z.B. werden Verhaltensstörungen als „gesunde Renitenz“ umgedeutet. Und es werden kaum Fakten präsentiert, aufgrund derer man sich selber eine Meinung bilden könnte. Dass Meinungen, Wunschdenken und Fakten vermischt werden, erschwert die Urteilsbildung.

Seriöse Studien werden beliebig unseriös interpretiert, ja geradezu verdreht, und Schlussfolgerungen gezogen, die mit den Studien nichts zu tun haben. Von hoch aufwändigen, sündhaft teuren Frühförderprogrammen wird einfach auf normale Fremdbetreuung geschlossen und selbst das noch falsch, z.B. bei dem viel erwähnten Perry Preschool Project.

Auch mit unseriösen Studien werden positive Effekte „bewiesen“, allen voran die Bertelsmann-Studie, die nicht vergleichbare Daten verwendet und ein statistisches Zusammentreffen von Ereignissen (Korrelation) flugs in einen Ursache-Wirkung-Zusammenhang verwandelt. Das ist schlichtweg nicht wissenschaftlich, z.B. erklärt der Rückgang der Störche auch nicht die sinkende Geburtenrate. Beliebig und ohne wissenschaftliche Belege wird Fremdbetreuung als Allheilmittel für Kinderarmut, sinkende Geburtenrate, Bildungsdefiziete usw. angepriesen.


Schlussbetrachtung der Autorin

In Anbetracht dieser Forschungsergebnisse ist es dreist, den finanziellen und ideellen Druck auf Eltern, ihr Kind in Fremdbetreuung zu geben, mit angeblich positiver Wirkung von Fremdbetreuung für sozial schwache Familien zu rechtfertigen. Auch wären gezielte Programme für sozial- und bildungsschwache Familien effektiver als ein verpflichtendes Vorschuljahr. Im Grunde werden unsere heutigen Probleme (z.B. Arbeitskräftemangel) durch frühe Fremdbetreuung auf Kosten der nächsten Generation „gelöst“.


Ich halte dagegen die Forderung unseres Verbandes nach einem Erziehungsgehalt für hochaktuell. Legt man die Forschungsergebnisse zu Grunde, sollte es auf alle Fälle und mindestens die ersten 6 Lebensjahre gezahlt werden. Keine Mutter darf gezwungen sein, ihr Kind den Risiken von früher Fremdbetreuung (0 bis 6 Jahren) auszusetzen!

















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