Der Artikel ist aus "Welt"" vom 19.01.2024 entnommen.
Autor: Till-Reimer Stoldt
Sollen Steuerzahler Werbung für sexuellen Fetischismus finanzieren? Auf dem Foto eher moderate Hunde-Fetischisten beim CSD 2023 in Köln
Ob Windel-Urinieren, Gegenstandsfetische oder Exhibitionismus – der Bund finanziert Werbung für bizarre Sex-Praktiken bei jungen Menschen ab 14 Jahren, so warnen Familienrechtler. Sie nehmen vor allem den Queer-Beauftragten Sven Lehmann in die Verantwortung.
Die 16-Jährige war begeistert. Erstmals hatte sie mit einem älteren Mann ein Rollenspiel namens „Daddy Dom Little Girl“ ausprobiert, nach dem sie sich offenbar furchtbar gesehnt hatte. Bei diesem Spiel verkleidet sich eine Frau für ihren Sexualpartner als Kleinkind, spielt Kinderspiele, trägt Windeln und uriniert in diese hinein. Vom Sex-Partner, der den „Vater“ spielt, wird sie dafür (in nicht näher erläuterter Weise) bestraft. Die Minderjährige berichtete von ihrem Erlebnis: „Schließlich legte er mir Windeln an, wie ein Daddy. Als ich dann endlich das erste Mal in die Windel urinieren durfte, fühlte ich mich einfach nur frei und überglücklich.“
Geschlagen, gefesselt, gepeitscht – ab 14
Diese werbende Erzählung für ein bizarres Sex-Spiel erschien in der Zeitschrift „Out!“, die vom LSBTI-Jugendnetzwerk „Lambda“ herausgegeben wird. Genauer: In einer „Out!“-Ausgabe von 2022 mit dem Titel-Thema sexueller Fetische. So werden Gegenstände, Körperteile, Vorstellungen oder Praktiken bezeichnet, die auf außergewöhnliche Weise erregen. In dem Heft wurden sadistisch-masochistische Praktiken, Exhibitionismus, Gegenstandsfetische, Erniedrigungsspiele und besagtes Rollenspiel vorgestellt – explizite Informationen über Sexpraktiken, bei denen geschlagen und gefesselt, gepeitscht, gebissen und an den Haaren gezogen wird. Und vieles mehr.
Das ist, Freiwilligkeit vorausgesetzt, nicht illegal. Nur: Laut eigenen Angaben wird die Zeitschrift von Jugendlichen zwischen 14 und 27 Jahren gestaltet. Entsprechend wendet sie sich an Leser ab 14 Jahren. Und das könnte, wie Kritiker warnen, mit dem Jugendschutz kollidieren. Finanziert wird die Zeitschrift zudem von den Steuerzahlern: Das Bundesfamilienministerium unter der Grünen Lisa Paus fördert Lambda, den Herausgeber von „Out!“, mit vielen Hunderttausend Euro pro Jahr. 2022 waren es 646.000 Euro, 2023 rund 467.000 Euro, für 2024 sind 360.000 Euro eingeplant.
Eltern sollen protestieren, wo solche Materialien auftauchen
Zudem solle der grüne Queer-Beauftragte des Bundes, der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium und Kölner Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann, seine Fördermitgliedschaft bei „Lambda“ beenden. Auch sollten „Eltern gegenüber pädagogischem Personal, das solche Materialien verwendet oder die Initiativen dahinter einlädt, entschieden protestieren“. Schließlich versuchten Lambda-Mitarbeiter „nicht nur durch ihre Medien, sondern auch persönlich in Schulen und Jugendgruppen Einfluss zu nehmen“. Die Organisation habe bereits durch ihre Zeitschrift ausreichend bewiesen, dass der Jugendschutz bei ihr in schlechten Händen sei.
Pantel selbst, so betont sie, habe „keinerlei Abneigung gegen Jugendliche, die sich phasenweise mit sonderbaren Fetischen beschäftigen. Aber: Publikationen wie ‚Out!‘ bieten keine fachlich angemessenen Angebote für betroffene Jugendliche in der Findungsphase.“
Ein Fetisch mit Hundemaske, Leine und Knurren
Die Bekenntnisfreude von Fetisch-Freunden wird zwar vom grünen Familienministerium finanziell unterstützt, aber selbst in der Lesben-und-Schwulen-Szene ist sie nicht unumstritten, etwa bei einzelnen Veranstaltern der LSBTI-Paraden zum „Christopher-Street-Day“ (CSD) in mehreren Städten. Einige beklagten schon, der Auftritt oft Anstoß erregender Fetischisten schade den politischen Anliegen der CSDs. Der CSD Bremen etwa monierte, das „Darstellen von Fetischen in der Öffentlichkeit“ sei „nicht hilfreich, wenn wir bei der gleichen Demonstration über Themen wie Asylrecht, Trans*Recht oder queere Krankenversorgung sprechen möchten“.
Hintergrund dieser Mahnung war, dass es bei früheren CSDs ein teils verheerendes Medienecho gab, weil von dort Fotos aufgetaucht waren, auf denen sich etwa Hunde-Fetischisten präsentierten – also Menschen, deren Fetisch in der Vorstellung besteht, ein Hund zu sein. Mit Hundemasken und Hundeleine, in Lack-und-Leder-Kluft traten sie auf, zum Teil auf Knien über den Boden robbend und knurrend, während Kinder sie bestaunten. Die Warnung vor Irritationen durch solche Fetischisten wurde in einem Kommentar der besagten Ausgabe von „Out!“ jedoch verworfen. In dem Text wurde stattdessen gefordert, Veranstaltungen dieser Art bräuchten „ein bisschen Provokation“, also anstößige Auftritte von Fetischisten.
Queer-Beauftragter weist Verantwortung von sich
Zu den Vorwürfen der Stiftung äußerte sich auf Anfrage von WELT auch ein Sprecher des Queer-Beauftragten des Bundes Sven Lehmann. Er verwies darauf, Lambda sei „ein Jugendverband von und für jugendliche LSBTIQ* von 14 bis 27 Jahren. Jugendverbände organisieren und gestalten ihre Angebote eigenverantwortlich. Dies gilt auch für Publikationen der Verbandszeitschrift ‚Out!‘, die von Jugendlichen selbst erstellt wird“. Es gehöre nicht zu den Aufgaben des Queer-Beauftragten, „einzelne Beiträge aus Magazinen zu bewerten“. Auf die Frage, ob das kritisierte Heft Minderjährigen künftig nicht mehr zugänglich gemacht werden sollte, antwortete er nicht.
Schon zuvor hatte Lehmann Ende 2023 im Bundestag seine Fördermitgliedschaft bei Lambda unter anderem damit begründet, dies sei „der einzige Jugendverband bundesweit, der sich für die Interessen von queeren Jugendlichen einsetzt“. Allerdings gibt es zahlreiche bundesweite LSBTi-Organisationen, die nicht ausschließlich von Jugendlichen getragen werden, sich aber dennoch um diese Jugendlichen kümmern. Zudem gibt es zahlreiche lokale oder regionale Jugendverbände dieser Art. Viele von ihnen werden ebenfalls finanziell von der öffentlichen Hand gefördert.
Immerhin: Womöglich hat Lambda inzwischen dazugelernt. Sylvia Pantel jedenfalls stellte fest, auf der Website des Netzwerks werde nun einzig „die Fetisch-Ausgabe nicht zum Herunterladen angeboten. Und die Print-Ausgabe soll angeblich vergriffen sein“.
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