Einblicke eines Seelsorgers und Priesters
Autor: Pater Klaus Einsle J.C.
Eine funktionierende Familie (Vater und Mutter in stabiler Beziehung, eigene Kinder) ist das Beste, was uns geschehen kann. Nicht alles dort ist ideal. Aber sie ist das Idealste, was wir haben.
Nichts kommt an sie ran. Nichts und niemand kann sie ersetzen. Was in Familien gesät, gepflanzt, gehegt wird, davon kann ich Zeugnis ablegen. Ich habe so vieles als Seelsorger miterlebt. Ich bin selbst in einer klassischen Familienkonstellation groß geworden. Fünf Kinder, Vater und Mutter (inzwischen seit 64 Jahren verheiratet), Oma im Haus.
Ein Erlebnis schreckte mich damals als 10jährigen Junge auf. Irgendwie musste es ein wenig laut geworden sein zwischen Papa und Mama. Papa ging ärgerlich aus der Küche. Mama kam zurück und… sah unsere verstörten Kinder-Blicke. „Keine Sorge, wir gehen schon nicht auseinander“ war einer der wichtigsten Sätze, die ich jemals gehört habe. Es schien uns Angst gemacht zu haben, dass unsere Eltern sich trennen könnten – zumindest mir. Noch heute, 45 Jahre später, erinnere ich mich an die Erleichterung, die ich nach der lapidaren Zusage unserer Mutter spürte.
Nach meinem Musikstudium wurde ich katholischer Ordenspriester. Nie hätte ich gedacht, wie tief ich eines Tages in zahllose Menschenherzen würde hineinschauen dürfen. Wie viel ich über Beziehungen, Familie, Prägungen usw. erfahren und lernen würde.
Ich habe die Geschichten tausender Menschen gehört, habe mit ihnen gelitten, geweint, gelacht, sie begleitet, mich mit ihnen gefreut: Geschichten von Ehepaaren, Männern, Kindern, Frauen, Scheidungstragödien, Sehnsucht, Erfüllung und Verachtung, Jobs, Missbrauch, Wertschätzung, Kämpfen, Genderproblematiken, Selbstmord, Treue, Versagen…
Mein Fazit, nach einem abgrundtiefen Blick in die Welt der Beziehungen aller Art: Die funktionierende Familie ist das Beste, was uns geschehen kann!
Ich wusste früher nicht, welch profunde positive Folgen die Treue von Eltern auf die Kinder hat; und welch´ negative die Untreue. Scheidung hinterlässt in Kindern oft eine grausame Spur der Verwüstung. Sie wird meist erst später sichtbar. Ich habe das erlebt. Menschen wissen gar nicht, warum sie dieses Gefühl von Verlassenheit in sich spüren. „Ich habe eigentlich schon Freunde. Ich gehe auf Partys, Feste. Ich bin mittendrin – und doch habe ich das Gefühl, ich bin allein und verlassen.“ Trennung der Eltern kann ein Trauma der Verlassenheit im Kind auslösen.
Die Erfahrungen der Kindheit sind extrem prägend. Viel tiefer, als wir das denken. Die vielen guten Erfahrungen in der Familie machen aus uns einen Großteil des Menschen, der wir sind.
In der funktionierenden Familie – wenn zumal noch christlicher Glaube gelebt wird – erfahren die Kinder zahlreiche positive Prägungen: Wir laufen nicht weg, sondern bleiben da, auch wenn es schwierig wird; du bis geliebt, und zwar bedingungslos; jemand sorgt für dich und schützt dich, weil du das noch nicht selber kannst; du bist wertvoll; wir helfen mit und helfen uns gegenseitig; ich übernehmen Verantwortung (indem ich den Tisch abräume etc);
ich lebe in einer sicheren Umgebung; ich kann mich geschlechtlich entfalten und an Papa und Mama orientieren; ich lerne, mich zu entschuldigen und wieder mit dem anderen umzugehen; etc.
Alles das scheint selbstverständlich. Alles das macht den reifen Menschen aus, der eine Gesellschaft gestalten und voranbringen kann. Alles das wächst in guten Familien wie von unsichtbarer Hand. Ich bin tausendfacher Zeuge. Eine gute funktionierende Familie ist das Beste, was uns geschehen kann. Uns? Uns allen:
Das Beste für das Kind; das Beste für die Eltern; das Beste für die Schule; das Beste für den Verein; das Beste für den Ausbildungsort; das Beste für die Wirtschaft; das Beste für die Sicherheit; das Beste für die Demographie; das Beste für die Zukunft; das Beste für alle!
Seit einigen Jahren bin ich in der Seelsorge im Dienst der inneren Heilung tätig. Ein ums andere Mal bestätigt es mir, dass wir später das ernten, was wir in der Kindheit säen. Die funktionierende Familie sät die besten Samen.
Am 24.4.2024 las ich in der NZZ folgende Nachricht, die auch in FAZ und anderen Leitmedien verbreitet wurde. „Fast jede zweite Lehrkraft sieht an der eigenen Schule ein Problem mit psychischer oder physischer Gewalt unter Schülern. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage, dem Deutschen Schulbarometer, hervor. Laut der Befragung gaben 47 Prozent der Lehrer und Lehrerinnen an, psychische und physische Gewalt in besorgniserregendem Ausmaß beobachtet zu haben. In sozialen Brennpunkten gaben dies sogar 69 Prozent der Befragten an. Die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nannte die Ergebnisse des Schulbarometers alarmierend.“
Nun kann man für diese Probleme in der Gesellschaft viele Erklärungen finden. Man kann auch manche erfinden. Nicht alles ist einfach zu verstehen. Aber auch nicht alles ist kompliziert:
Ich bin ein Bauernjunge. Auf dem Land ist das Leben in mancher Hinsicht einfacher und durchschaubarer. Wenn der Bauer im Frühjahr nicht sät, dann ist es klar, dass er im Herbst nichts erntet. Da kann man viele Gründe ins Feld führen. Aber nur einer stimmt: Du hast nicht gesät. Und deshalb erntest du nicht.
Wirkt diese Erklärung intolerant? Monokausal? Wenig differenziert? Kann sein, aber sie stimmt.
So kann ich durch viele Erfahrungen aus dem Alltag der Menschen sagen: Die funktionierende Familie ist das Beste, was uns passieren kann. Und vieles von dem, was wir heute ernten, wurde dort vorher gesät.
Wollen wir der Gesellschaft, den einzelnen Menschen, den Kindern und Erwachsenen einen Dienst erweisen, so ist die Förderung der Familie mit Vater-Mutter-eigene Kindern der beste.
Kirchen, Politik, Wirtschaft, Medien, Meinungsmacher und Influencer: lernt etwas vom einfachen Leben der Bauern:
Morgen wirst du ernten, was du heute sähst.
Die gesunde Familie ist das Beste, was uns geschehen kann. Fördern wir sie mit ganzer Kraft, auf allen Ebenen.
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