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Stiftung Familienwerte

Altes Deutschland

Eine sinkende Geburtenrate ist kein Naturgesetz - das zeigt der Blick nach Frankreich

 von K ARL-HEINZ B. VAN LIER


Die Geburtenrate sinkt auf 1,36.“ Mit dieser Nachricht informierten die Medien am 24. März die deutsche Öffentlichkeit und bezogen sich auf 693000 Geburten (2023). Ein Vergleich mit dem Jahr 1964: Damals wurden 1,36 Millionen Kinder geboren. Für all jene, die immer schon die sinkenden Geburtenzahlen nie in Verbindung brachten mit rückläufigen Familiengründungen, zukünftigen gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen oder gar mit dem grassierenden Fachkräftemangel, war dies kein Grund zur Beunruhigung. Zu dieser Gruppierung scheint auch die Bundesregierung zu gehören. Sie war ohnehin gerade mit der gesetzlichen Freigabe von Cannabis, also mit wichtigeren Dingen, beschäftigt. Selbst von der betroffenen Fachministerin Lisa Paus (Grüne), zuständig für Familie, war keine Verlautbarung zu vernehmen. Und dies, obwohl man ihr zumindest unterstellen sollte, dass sie die Bedeutung dieser Zahl kennt, nämlich, die Dezimierung der Bevölkerung der kommenden Generation um ein Drittel.


Schauen wir hinüber zu unserem Nachbarn Frankreich. Dort hat die ähnliche Nachricht vom 14.1.2024, dass die Geburtenrate auf 1,67 gesunken sei, beim Präsidenten Macron Panik ausgelöst. Er erklärte umgehend, dass er dies nicht hinnehmen werde und kündigte „eine demographische Wiederbewaffnung“ an. Und weiter führte er aus: „Unser Frankreich wird auch durch die Wiederbelebung seiner Geburtenrate stärker werden.“


Frankreich liefert übrigens den Beweis, dass eine Nachwuchsfördernde Familienpolitik imstande ist, eine Geburtenrate zu generieren, die über Jahrzehnte nahe der Reproduktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau liegt. Aufgrund der Tatsache, dass die Regierung des Sozialisten Hollande die Familienförderung zugunsten anderer Lebensentwürfe gedrosselt hatte, sank die Geburtenziffer der Franzosen automatisch. Andere Länder wie China, Russland, Japan, Bulgarien, Ungarn, Italien, die die fatalen Auswirkungen des Geburtenmangels längst erkannt haben, haben bereits große Anstrengungen unternommen, um dem Mangel an Nachwuchs mit einer Anreizpolitik für Familiengründungen entgegenzuwirken. So zahlt Putins Russland für die Geburt des ersten Kindes umgerechnet 6500 Euro und für jedes weitere 8 500. Japan setzt die 3-Kind-Familienförderung a l`a francaise des früheren Ministerpräsidenten Shinzo Abe fort, Ungarn investiert 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, was die Geburtenrate von 1,21 (2010) auf 1,56 (2022) hat ansteigen lassen. All diese Länder wissen, dass hauptsächlich über die Zunahme von Familien die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Wohlstand und die Selbstbehauptung der Kultur zu gewährleisten sind; einschließlich der Einladung von Fachkräften aus dem Ausland.


Ursache für den Fachkräftemangel

Im Blick auf den wachsenden Fachkräftemangel ist es nur schwer zu verstehen, dass sinkende Geburtenzahlen für die deutsche Familienpolitik keine Relevanz haben, zumal die Folgen dieser Ignoranz fatal sind. So gehört Deutschland wegen eines 52 Jahre andauernden hohen Geburtenmangels zusammen mit Japan zu den ältesten Ländern der Welt (Durchschnittsalter 49 Jahre), was ohne Zweifel eine sinkende Innovationsfähigkeit nach sich zieht. Vergleichsweise führt die wirtschaftliche Dynamik junger lateinamerikanischer Staaten wie Kolumbien, Panama, Dominikanische Republik dazu, dass die Chance eines Aufstiegs zum Schwellenland durchaus gegeben ist.


So ist Deutschland wie kein anderes Land der Welt von einem allumfassenden Fachkräftemangel betroffen. Weil Kinder, die über 50 Jahre nicht geboren wurden, heute keine Fachkräfte sein können. Doch besagter Personalmangel – der heute schon bedrohliche Ausmaße aufweist – ist erst die Ouvertüre. Denn bis 2036 werden die geburtenstarken Jahrgänge der 50er- und 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts – Babyboomer genannt – aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Das sind, so das Statistische Bundesamt, 12,9 Millionen Doch das Tragische an dieser Prognose ist, dass die Zahl der jungen nachfolgenden Berufseinsteiger bei weitem nicht ausreichen wird, um die Zahl der ausscheidenden Fachkräfte zu ersetzen, weil besagte Babyboomer weitgehend auf Nachwuchs verzichtet haben. Wir stehen also erst am Anfang einer Monsterwelle. Laut Einschätzung der Wirtschaftsweisen vom Herbst 2023 ist der Fachkräftemangel Wachstumshemmnis Nummer eins für die Wirtschaft und in der Folge eine Wohlstandsbremse für Deutschland. Fachkräftemangel ist nicht das Ergebnis einer biblischen Heimsuchung, sondern Resultat einer zukunftsvergessenen Politik. Das Grundgesetz formulierte im Artikel 6, Abs. 1 eigens einen staatlichen Schutzauftrag für die Familie. Diese ist auch deshalb die einzige Institution, die den Schutz des Staates genießt, weil damit immer auch die Gewährleistung des Fortbestands der Familie mitgedacht wurde. Naturrechtlich gesehen sollte das Prinzip der Nachhaltigkeit ohnehin auch auf die Familie, das Biotop des Menschen, Anwendung finden. Folglich fiele der Familienpolitik die Aufgabe zu, Anreize für junge Leute zu bieten, eine Familie zu gründen, bzw. Impulse für eine familienfreundliche Gesellschaft zu setzen. Dass trotz dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe sich Familienpolitiker aller Parteien über Jahrzehnte hinweg als handlungsunfähig erwiesen, dem Geburtenmangel einen Paradigmenwechsel in der Familienpolitik entgegenzusetzen, kann nur mit gänzlicher Zukunftsvergessenheit erklärt werden. So debattierte 1980 der Nordrhein-westfälische Landtag über eine von der CDU eingebrachte Studie, die für das Jahr 2030 einen „gehörigen Bevölkerungsschwund“ prognostizierte. Nichtdestotrotz formulierte Ministerpräsident Johannes Rau seine Überzeugung, dass „Deutschland kein aussterbendes Volk“ sei und „die Regierung keinen Auftrag für Bevölkerungspolitik“ habe.


Damit wurde das erste und einzige Warnsignal, welches die fatale demographische Entwicklung hätte stoppen können, ausgeblendet, ohne die Konsequenzen zu bedenken. Selbst die CDU, größte Volkspartei Europas, die in Sonntagsreden immer wieder auf den Familienschwund hingewiesen hat, ließ in den langen Jahren ihrer familienpolitischen Verantwortung – allen Versprechen zum Trotz – keine spürbare Aufwertung der Familie folgen.

 

 

Familie-light-Bild statt Familienleitbild

So, wie die Rentenreform Absichtserklärung blieb, so perpetuiert die Politik bis heute ein Familie-light-Bild. Dieses stellt Kinderlosigkeit hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge in diskriminierender Weise finanziell besser. Das führt dazu, dass inzwischen „bereits vierköpfige Familien mit Durchschnittseinkommen netto weit unterhalb des Existenzminimums landen“. (Jürgen Borchert) Junge Leute lernen daraus, dass Kinder zu haben ein finanzielles Risiko bedeutet. Nicht unerwähnt sollen hier Abtreibungen von jährlich 100000 bis 134000 bleiben, die trotz der sinkenden Zahl gebärfähiger Frauen prozentual weiter zunehmen. Sie sind nicht nur Bestandteil der demographischen Schieflage, sondern bleiben, weil es hier auch um das Lebensrecht der Ungeborenen geht, eine permanente Anfrage an unser christliches Gewissen. Als die Folgen der demographischen Schieflage kaum noch zu ignorieren waren, startete der frühere Bundespräsident Horst Köhler in Berlin eine Reihe von Demographie-Konferenzen und sprach dort in einer nichtöffentlichen Expertenrunde davon, dass die demographischen Probleme Deutschlands in Wahrheit keine Probleme, sondern „Lösungen“ für andere Probleme seien. Somit sei der Bevölkerungsrückgang in Deutschland etwas Positives, weil er ausgleichend auf das Wachstum der Weltbevölkerung wirke.


Diese Strategie kann als Geburtsstunde der „demographischen Chance“ verstanden werden. Dieser Begriff wurde – nicht ganz zufällig – von der damaligen Wissenschaftsministerin Schavan für das Wissenschaftsjahr 2013 als Losung gewählt. Sie benannte drei Handlungsfelder: „Wir leben länger - wir werden weniger – wir werden vielfältiger.“ Dieser Dreischritt wurde zur neuen demographischen Zauberformel, zumal er den Begriff der „demographischen Chance“ mit der positiv bewerteten höheren Lebenserwartung verknüpft und weder den politisch aufgeladenen Begriff „Geburtenmangel“ noch die Massenzuwanderung als einen Bestandteil dieser Strategie miteinschließt. Alles bleibt harmlos undefiniert, euphemistisch vernebelt.


Mit dieser systematischen sprachlichen Umdeutung von Sprache, auch „Framing“ genannt, wird eine gigantische demographische Fehlentwicklung, die Papst Franziskus zu Recht als „demographischen Winter“ bezeichnet, von einer politischen Minderheit zu einer „Chance“ umgewidmet, und dies ohne wissenschaftliche Begleitung, ohne Folgenabschätzung und ohne jede parlamentarische Legitimation.

Den Erfindern der sogenannten „demographischen Chance“ fehlt bis heute eine Blaupause. So setzt die Ampel-Regierung für Deutschland als einziges Land der Welt auf massenhafte ungesteuerte Migration. Und das im unbeirrbaren Glauben, dass das Ausscheiden von Millionen erwerbstätiger Babyboomer durch millionenfache Einwanderung kompensiert werden könnte. Eine Politik, die um eine realistische Folgenabschätzung bemüht sein sollte, müsste eigentlich wissen, dass der gewaltige Aderlass an Humankapital nicht einfach durch mehrheitlich kulturfremde Einwanderer (80 Prozent Muslime) mit teils unzureichenden Bildungsgrundlagen ersetzt werden kann.


Die Geburtenrate der deutschen Gesellschaft wird unter diesen Bedingungen auch weiterhin keine Rolle spielen.


Der Autor ist Präsident der Stiftung für Familienwerte.




















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