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Stiftung Familienwerte

Pornografie und Gewalt: Mädchen- oder Junge sein in Zeiten sexueller Verfügbarkeit

Autor: Tabea Freitag




„Wann ist mein Kind reif für ein Smartphone?“ „Sobald Sie denken, dass es o.k. ist, wenn Ihr Kind Pornos schaut.“ So antwortete ein Lehrer den überraschten Eltern, die wohl eher mit den üblichen Medienkompetenztipps gerechnet hatten. Pornos sind noch immer der riesige Elefant im Raum, den viele Erwachsene nicht sehen, während er längst Phantasien und das Frauen- und Männerbild von Jugendlichen prägt und ihre Beziehungs- und Liebesfähigkeit nachhaltig untergräbt.

Vor allem verletzen die zutiefst verstörenden Bilder massiv ihre Schamgrenzen. Darum ist die Konfrontation von Kindern mit Pornografie eine Form von sexuellem Missbrauch (§ 176a StGB). Und Missbrauch lebt auch hier vom Wegschauen, Schweigen oder Verharmlosen durch Erwachsene.

Mehr als die Hälfte der 11- bis 13-Jährigen haben bereits pornografische Bilder oder Filme gesehen. Sie werden über Insta, TikTok oder im Klassenchat und zunehmend in Tabletklassen mit Pornos konfrontiert. Obwohl jedes Zugänglichmachen von Pornos an unter 18-Jährige gesetzlich verboten ist (§184 StGB), wird die ungebremste Digitalisierung von Schule und Kinderzimmer, vielfach ohne effektiven Filterschutz, weiter vorangetrieben.

Bereits 2017 konsumierten mehr als 70 % der männlichen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren täglich bis mehrmals wöchentlich Pornografie, 20 % sogar täglich. Auch Mädchen sind zunehmend betroffen. Inzwischen kennen wir die fatalen Folgen.

Ein Untersuchungsbericht von 2023 für die britische Regierung kommt zu dem Ergebnis, dass Pornos eine Schlüsselrolle bei der Normalisierung von sexueller Gewalt an Mädchen spielen und umso gefährlicher sind, je früher die Kinder ihnen ausgesetzt sind. Jedes Jahr, in dem Kinder vor Porno-Einflüssen bewahrt bleiben, zählt: 49 % der Teenager, die beim Erstkontakt mit Pornografie noch keine 11 Jahre alt waren, suchten aktiv nach Gewalt-Pornografie im Vergleich zu 30 % derer, die mit etwa 12 Jahren darauf stießen.

Die repräsentative Befragung zeigte auch, in welchem Ausmaß Pornografie reale sexuelle Beziehungen prägt. Demnach glauben viele Jugendliche, Gewalt beim Sex gehöre dazu: 47 % der befragten 16-21-Jährigen (m/w) war der Auffassung, dass Mädchen Gewalt beim Sex wie etwa Schläge oder Würgen "erwarten". 42 % glaubten sogar, dass Mädchen dies "mögen". Dies entspricht den heute vorherrschenden pornografischen Drehbüchern und dringt in Beziehungen ein: Bei den über 18-Jährigen hatte fast die Hälfte schon einmal Gewalt beim Sex erlebt.

Mit den Folgen eines frühen und häufigen Pornografiekonsums werden wir auch in der Beratung von Betroffenen und Angehörigen tagtäglich konfrontiert, insbesondere einer Abhängigkeitsentwicklung und massiven Beziehungsstörungen.

Wie tiefgreifend menschliche Werte wie Empathie und Rücksichtnahme, Liebes- und Bindungsfähigkeit, Respekt vor der Würde und Unverfügbarkeit des anderen zur Disposition stehen, erleben wir auch in der Prävention:

„Wir schauen Pornos, um zu wissen, was die Jungs von uns erwarten“ sagen manche Schülerinnen. Den Mädchen ist bewusst, dass fast alle Jungs Pornos schauen und dass das ihre Schönheitsideale und Erwartungen an Praktiken prägt. Ihr Unbehagen angesichts der frauenverachtenden, brutalen Praktiken der Mainstream-Pornografie beantworten manche mit Angst vor Beziehungen oder mit Hass auf den eigenen Körper und ihr Mädchensein, andere geraten selbst in den Sog des Pornokonsums, sehen sich als Sexobjekt und konkurrieren auf dem sexuellen Medienmarkt – bei Insta, Snapchat oder irgendwann sogar auf Onlyfans. Weil Beziehungen multioptional geworden sind, ist der Druck hoch, mehr bieten zu müssen, um gesehen oder sogar geliebt zu werden.

„Wenn wir das nicht mitmachen, sind wir doch selber schuld, wenn er sich ne andere sucht“, sagte eine Gymnasiastin. So lassen sich Mädchen zunehmend auf Praktiken ein, die sie als demütigend, eklig oder schmerzhaft erleben, um die Beziehung nicht zu verlieren oder als verklemmt zu gelten. So werden Grenzverletzungen normalisiert.

Jungen, die häufig Pornos konsumieren, nehmen Mädchen zunehmend als Sexobjekt wahr. Die ständige Verfügbarkeit von Sex als Produkt und weiblichen Körpern als Konsumgut, das sie nach Alter, Ethnie, Körpermaßen und Praktiken auswählen können, befördert eine narzisstische Anspruchshaltung: Nur mein Bedürfnis zählt. Je früher dies gelernt wird, desto mehr prägt es Beziehungen und Sexualität.


Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen?

Kinder sollten nicht über einen unkontrollierten Internetzugang verfügen, denn sie haben noch nicht den Reifegrad, eigenverantwortlich über Inhalte und Dauer zu entscheiden. Technische Hilfen wie Filterschutzsoftware ergänzen, aber ersetzen natürlich nicht das vertrauensvolle Gespräch in der Familie. Aus Scham und Ambivalenz („Das ist eklig, aber macht mich auch an“) erzählen nur 4 % der Kinder ihren Eltern, wenn sie auf Pornos gestoßen sind. Darum sollten Eltern das Thema proaktiv und unaufgeregt ansprechen und dabei ihren Kindern signalisieren, dass sie um die Verbreitung wissen, ihnen keine Vorwürfe machen und nicht aus allen Wolken fallen werden, wenn ihr Kind davon erzählt. In der Prävention mit „Fit for Love?“ in Schulen und Jugendarbeit erleben wir, dass Teenager dankbar sind, wenn Erwachsene auf gesichtswahrende und wertschätzende Weise mit ihnen über Pornos, Sexualität und Liebe reden, ohne Schamgefühle zu verletzen. Dies gelingt z.B. mit Bildern, die etwas von dem Zusammenspiel von Bindung und Sexualität, von Identität, Würde und guten Grenzen (Innerer Garten), von Leidenschaft (Feuer), den Voraussetzungen gelingender Beziehungen (Beziehungshaus) oder der Fähigkeit, Spannung auszuhalten (Pfeil und Bogen) verdeutlichen. Neben dem Vermitteln eines positiven, ganzheitlichen Bildes von Liebe und Sexualität sind auch Infos über Menschenhandel bzw. sexuelle Ausbeutung in der Pornoproduktion und Risiken wie Sucht und Beziehungsprobleme wichtig. Neben dem Gespräch zuhause lohnt es sich, auch das Gespräch mit der Schule zu suchen, um sowohl einen ausreichenden technischen Schutz (s.o. § 184 StGB) als auch Elternabende oder Präventionsprojekte für Schulklassen anzuregen.














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