Ein Beitrag aus der Tagespost vom 15.12.2023
Autorin Franziska Harter
Im Europäischen Parlament muss das Kindeswohl als verschlissenes Deckmäntelchen für die Legalisierung der kinder- und frauenfeindlichen Praxis der Leihmutterschaft herhalten.
Das Europäische Parlament hält es für angebracht, die EU-Mitgliedsstaaten zur Legalisierung der Leihmutterschaft zu zwingen. Genau darauf läuft die Empfehlung hinaus, die das EU-Parlament am Donnerstag abgegeben hat, und zwar auch mit den Stimmen der meisten christdemokratischen Abgeordneten. Konkret hat sich das Parlament für die EU-weite Anerkennung der Elternschaft ausgesprochen und empfiehlt die Einführung eines Europäischen Elternschaftszertifikats.
Dies würde bedeuten, dass die in einem EU-Land festgestellte Elternschaft eines Kindes auch von den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt werden muss – unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde. Faktisch müsste ein Land, das Leihmutterschaft verbietet, die Elternschaft auch der Personen anerkennen, die in einem anderen EU-Land Leihmutterschaft in Anspruch genommen haben und dort als Eltern des auf diese Weise entstandenen Kindes anerkannt wurden. Gleiches gilt für die Adoption durch homosexuelle Paare, die in einigen EU-Ländern bisher nicht möglich ist.
Schizophrene Empfehlung
Vordergründig soll damit sichergestellt werden, dass es keine Ungleichbehandlung dieser Kinder vor dem Gesetz gibt. Tatsächlich ist die Empfehlung des EU-Parlaments vor allem eines: schizophren. Zunächst einmal widerspricht sich das Parlament selbst, hat es doch vor gerade zwei Monaten erst einen Entwurf angenommen, der Leihmutterschaft zum Menschenhandel erklärt. Wiederholt hat das Parlament festgestellt, dass die Praxis eine „inakzeptable sexuelle Ausbeutung und Verletzung der Menschenwürde und der Menschenrechte“ darstellt, wie etwa in der Resolution 2022 zu den Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine auf Frauen.
Schlimmer noch: „Kein Kind sollte aufgrund seiner Familienzugehörigkeit oder seiner Geburt diskriminiert werden“, begründete die federführende Europaabgeordnete Maria-Manuel Leitão-Marques, Sozialdemokratin, den Entscheid. Zur Durchsetzung der EU-weiten Anerkennung der Elternschaft mit dem Kindeswohl zu argumentieren, ist aber blanker Hohn gegenüber jenen Kindern, die dem egoistischen Interesse der ihrer Käufer zum Opfer fallen. Gerade veröffentlichte die „Tagespost“ das herzzerreißende Zeugnis einer von einer Leihmutter geborenen und anschließend an ihre Zieheltern verkauften jungen Frau. Seit ihrer frühesten Kindheit leidet sie unter dem Trauma, direkt nach ihrer Geburt der Frau entrissen worden zu sein, die sie neun Monate unter ihrem Herzen trug.
Geheimwissen des Parlaments
Wie es gleichzeitig Kinder schützen und Möchtegern-Eltern erlauben will, Kinder wie Objekte zu kaufen, das bleibt Geheimwissen des Parlaments. Selbstverständlich muss es für den Staat Priorität haben, die Kinder – alle Kinder – auf seinem Territorium bestmöglich zu schützen. Dazu ist es aber bei Weitem nicht notwendig, durch eine faktische Anerkennung der Leihmutterschaft weiteren Personen Anreize zu bieten, ebenfalls auf diese kindeswohlverachtende Praxis zurückzugreifen.
Mit dem Hinweis auf eine bereits bestehende illegale Praxis – Menschen gehen ins Ausland, um sich dort durch Leihmutterschaft ein Kind zu besorgen – genau diese Praxis legalisieren zu wollen, ist bestenfalls lächerlich. Mit dem gleichen Argument sollte die EU schleunigst die Drogendealerei legalisieren – alles andere stigmatisiert doch die Dealer und ihre Opfer. Solche Spielchen verschleiern, was Leihmutterschaft eigentlich ist: ein Milliardenmarkt mit dem Luxusprodukt Mensch.
Nur konsultatives Votum
Glücklicherweise hat das EU-Parlament in dieser Sache nur eine konsultative Stimme. Am Ende müssen die EU-Mitgliedsstaaten das Vorhaben einstimmig annehmen. Dafür stehen die Chancen im Moment schlecht: Mehrere Staaten wie Ungarn, Italien und Österreich haben bereits ihre Ablehnung bekundet. Dies bedeutet leider nicht, dass die Ideologen unter den EU-Akteuren klein beigeben. Aus gut informierten Kreisen heißt es, das EU-Elternschaftszertifikat könnte im Rahmen der Verstärkten Zusammenarbeit beschlossen werden, wenn dafür unter den EU-Ländern eine einfache Mehrheit gefunden wird. Heißt: Es würde dann nur für die Staaten eingeführt, die zustimmen. Damit würde aber auf den ablehnenden Staaten dauerhaft ein mehr oder weniger subtiler Druck lasten, sich der Mehrheit anzuschließen. Kämpfer für das Kindeswohl sind daher gut beraten, sich nicht in falscher Sicherheit zu wiegen.
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